Eine ganz besondere Ausstellung des Bürgerzentrums Schuhfabrik öffnet am 15. Februar 2013 für zwei Wochen ihre Pforten und das sprichwörtlich, denn es geht um Öffnung in dieser Ausstellung. In der Ausstellung açıklık – freiraum öffnen sich ein zur Zeit verschlossenes, leeres Ladenlokal, die etage eins des Bürgerzentrums Schuhfabrik, ein typisches Wohnhaus der Zechensiedlung an der Hansastrasse und der öffentliche Raum mit 3 Positionen türkischstämmiger KünstlerInnen zum Thema Freiraum. Die Werke, ob prozesshaft-performativ, bildhauerisch-poetisch oder photographisch-kritisch, werden sich auf ihre Weise in die persönlichen und gesellschaftlichen Räume Ahlens einmischen.

Mit dabei ist die international angesehene Künstlerin Nezaket Ekici, einst Meisterschülerin von Marina Abramović. Sie ist bekannt für ihre Performances und Installationen. In Ahlen hat sie bereits im Januar in ihrer Arbeit „First contact“ ihr unbekannte Familien der Zechensiedlung mit der Performancekunst konfrontiert, in dem sie diese in den eigenen vier Wänden performen ließ. Die Familienmitglieder der Familien Erdogan, Güvenc und Erdogan setzten sich mit ihrem jeweiligen Lieblingsgegenstand in Szene und erlebten als sogenannte „Living Sculptures“, dass künstlerischer Ausdruck oftmals aus Grenzerfahrungen entsteht. Die berührenden Filme, die in dieser Performance durch Branka Pavlovic mit der Kamera festgehalten und editiert wurden, werden auf mehreren Monitoren in dem leerstehenden Wohnhaus der Zechensiedlung an der Hansastr. 55 gezeigt, die sich dadurch zugleich in Räume zwischen Kunst und Alltag verwandeln. Nezaket Ekicis künstlerische Arbeiten befassen sich oftmals mit Ideen, die dem alltäglichen Leben entstammen. Mit First Contact versucht sie, durch künstlerische Interaktion im Privaten, die Grundelemente ihrer Kunst – Körperlichkeit, Zeit, Bewegung und Raum – aus der Privatheit in die Kunst zu holen, ohne sie dabei dem alltäglichen Leben zu entfremden.

Iskender Yedilers skulpturale Arbeit „INTERNATIONAL SHOPPING BAGS“ bezieht sich direkt auf die durch Leerstand bedrohte Hansastrasse, die eine aus der Zechensiedlung mündende alte Einkaufsstrasse ist. Zur Zeit ist die Strasse durch einigen Leerstand bedroht, da hundert Meter weiter vor ca. 2 Jahren ein großes Einkaufszentrum mit vielen Parkmöglichkeiten gebaut wurde. Ein aus unzähligen Plastiktüten aus der ganzen Welt gefertigter, ineinander verschlungener Schlauch bewegt sich in einem ehemaligen Friseursalon auf und ab. Ein in sich verknotetes Gebilde unserer Konsumwelt fällt immer wieder in sich zusammen, wird dann mittels eines Föns wieder aufgeblasen.

Die Serie „Die üblichen Verdächtigen“ des in Istanbul und Berlin lebenden Photographen Mehder besteht aus 5 Photographien á 2 Photos bekannter deutscher Politiker türkischer Herkunft, wie beispielsweise Cem Özdemir, die erkennungsdienstlich photographiert, als sogenannte mug shots, darstellt sind. Diese Photographien thematisieren auf subtile Art und Weise das anders Aussehen und die dadurch häufige Stigmatisierung in der Gesellschaft und auch dessen ausführende Organe, wie hier die Polizei. Die bewusste Auswahl von deutschen Politikern türkischer Herkunft, die ausschließlich von deutschen Staatsbürgern in ihr Amt gewählt werden können, weißt darauf, dass die Abgebildeten sich nur durch ihre gesellschaftliche Positionen vom Rest dieser anders aussehenden Gruppe abheben. Wie sähe jedoch ihr Freiraum aus, wenn sie diese Position nicht hätten, wie viele andere? Zu Beginn der Ausstellung wird Mehder die Arbeit „Die üblichen Verdächtigen“ vor Ort in Ahlen weiterführen – in welcher Form und mit wem, wird eine Überraschung sein.

Fotos:

Iskender Yediler
„INTERNATIONAL SHOPPING BAGS“
und „ALDIPLUSLIDL“
Rechte bei dem Künstler

Nezaket Ekici
First Contact (Work in Progress ) / Ahlen –
Familien Erdogan, Güvenc, Erdogan performen,
Mehrkanal Video Installation 2013,
Presented at: açıklık – freiraum, Bürgerzentrum Schuhfabrik Ahlen, 15.2.-1.3.2013
Videostills by Branka Pavlovic
Rechte bei der Künstlerin

Mehder
„Die üblichen Verdächtigen“ und
„zweite Generation/ Mutter und Tochter“
Rechte bei dem Künstler